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Hörbehinderung

Hierbei muß man zwischen einer hochgradigen Hörbehinderung wie beim USH2 und USH3 und einer Taubheit wie bei den Formen des USH1 unterscheiden, die sich sowohl von der Bedeutung für den Betroffenen wie auch von den therapeutischen Möglichkeiten stark unterscheiden. Bei Taubheit fehlt die Reaktion auf alle akustischen Reize, Sprache kann nicht wahrgenommen werden, jedenfalls nicht auf dem konventionellen Wege, das Hören zur Warnfunktion, wie z.B. im Straßenverkehr zur Signalisierung von herannahenden Fahrzeugen, entfällt. Alle Geräusche der Umwelt, die uns ständig eine Vielzahl von Informationen bewußt und unbewußt übermitteln, können von Gehörlosen nicht wahrgenommen werden. Eine sprachliche Verständigung ist nur durch alternative „Sprachen“, wie z.B. der Gebärdensprache oder dem Lormen, einer Tastsprache, die insbesondere unter taubblinden Menschen verbreitet ist, oder durch das Ablesen vom Mund möglich. Letzteres setzt allerdings ein ausreichendes Sehvermögen voraus. Eine sprachliche Kommunikation auf diesem Wege ist natürlich nur mit Menschen möglich, die diese ebenfalls erlernt haben, eine Verständigung mit „Jedermann“ kann oft nur mittels eines Dolmetschers stattfinden. In milderer Ausprägung betreffen diese Probleme auch die Schwerhörigen. Typisch für den USH2 sind Hörkurven mit einem mäßigen Hörverlust in den tiefen Frequenzen und einem steilen Abfall der Hörleistung bei den höheren Frequenzen. Ein charakteristisches Merkmal bei der Innenohrschwerhörigkeit ist der sogenannte Diskriminationsverlust. Dieser bezeichnet das Phänomen, das zwar Töne einer gewissen Lautstärke wahrgenommen werden können, die Sprache im Zusammenhang jedoch nicht verstanden wird. Ein weiteres Merkmal der Innenohrschwerhörigkeit ist die abnehmende Unbehaglichkeitsschwelle. Jeder hat schon einmal erlebt, daß Töne ab einer bestimmten Lautstärke als unangenehm empfunden werden und sogar einen Schmerzreiz auslösen können. Diese Schwelle sinkt bei Schwerhörigkeit, d.h. im Vergleich zum Gesunden werden bereits leisere Töne als störend empfunden. Bei gleichzeitig deutlich erhöhter Wahrnehmungsschwelle eines Tons ist der Dynamikbereich oder das Lautheitsintervall, in dem das Hörvermögen genutzt werden kann, sehr eingeschränkt.

Gehörlosigkeit und Schwerhörigkeit haben auch Einfluß auf den Spracherwerb. Er ist deutlich erschwert und setzt eine gezielte Förderung beginnend in möglichst jungen Jahren voraus. Die Sprache klingt häufig verwaschen, undeutlich, monoton und ist mit Sprachfehlern behaftet. Der Grund ist verständlich, da ein großer Anteil des Sprachenlernens durch Nachahmung des Gehörten geschieht.

Anatomie und Physiologie des Hörapparates

Das Ohr kann vom Aufbau her in drei Abschnitte unterteilt werden. Das äußere Ohr, bestehend aus der Ohrmuschel und dem äußeren Gehörgang, dient der Schallaufnahme und Weiterleitung. Das Mittelohr mit Trommelfell, Paukenhöhle und Gehörknöchelchen, dient der Schallweiterleitung und Verstärkung. Im Innenohr schließlich wird aus der Schallwelle mit Hilfe der sogenannten Haarzellen, winzig kleiner Zellen im Innenohrbereich mit haarartigen Ausläufern, ein elektrischer Impuls gebildet, der über den Hörnerven und die Hörbahn an das Hörareal des Gehirns weitergeleitet wird und dort zu dem Eindruck zusammengesetzt wird, den wir unter „Hören“ verstehen. Beim Usher-Syndrom kommt es zu einer Schädigung der sogenannten Haarzellen. Der Hörschaden entsteht also im Innenohr.

Diagnostik

Seit Januar 2009 ist das Hörscreening von Neugeborenen in Deutschland gesetzlich vorgeschrieben. Es ist deshalb zu erwarten, dass nun angeborene Hörbehinderungen und auch das Usher-Syndrom schon sehr frühzeitig diagnostiziert werden. Immerhin liegt bei 10% aller Patienten mit angeborener oder frühkindlicher sensineuraler Schwerhörigkeit und sogar bei 20 – 40% aller autosomal-rezessiven Retinitis pigmentosa-Patienten (RP) das Usher-Syndrom vor.

Zur Früherkennung einer Hörschädigung im Kindesalter ist ein aufmerksames Beobachten der Kinder durch die Eltern sehr hilfreich. Ein mangelndes Reagieren z. B. auf Händeklatschen, Telefonläuten oder Ansprache kann einen ersten Hinweis geben. Ein Hals-Nasen-Ohren-Arzt hat dann weitergehende Möglichkeiten zur Hörtestung, die teils jedoch nur für ältere Kinder und Erwachsene geeignet sind.

  • Tonaudiogramm
  • Verhaltensaudiometrie bei Kindern
  • Sprachaudiogramm
  • Stapediusreflexmessung
  • Otoakustische Emissionen
  • Hirnstammaudiometrie
  • Promontorialtest
  • Elektrocochleographie

Eine interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Hals-Nasen-Ohrenarzt und Augenarzt ist zur Diagnosenstellung und zur Betreuung der Patienten, sowie zur Abgrenzung gegenüber ähnlichen, zum Teil vererbbaren, Erkrankungen wie Morbus Refsum (autosomal-rezessive Störung des Phytansäurestoffwechsels), Bidet-Bardl-Syndrom und Gregg Syndrom erforderlich.

Therapeutische Möglichkeiten

Hörgeräte zur Verstärkung von Hörresten

Beim Typ II des Usher-Syndroms, also bei mittel- bis schwergradiger Hörminderung kann den Patienten mit einer beidohrigen Hörgeräteversorung deutlich geholfen werden. Wichtig ist eine genaue Anpassung durch einen Hörgeräteakustiker nach vorangegangener hals-nasen-ohrenärztlicher Analyse des Hörspektrums. Es stehen verschiedene Geräte zur Verfügung, die teils im Gehörkanal, teils hinter der Ohrmuschel getragen werden.

Cochlea Implant bei Gehörlosigkeit

Bei gehörlosen Patienten, insbesondere bei Kindern bietet sich eine Cochlear-Implantation an. Unter einem Cochlea Implant kann man sich eine Hörprothese oder eine Art künstliches Innenohr vorstellen, mit dessen Hilfe der Schall in ein elektrisches Signal umgewandelt wird und an den Hörnerven weitergegeben wird. Über ein externes Mikrofon wird der Schall aufgenommen, in einem Sprachprozessor in elektrische Signale umgewandelt und über Elektroden an den Hörnerven gebracht. Von hieran nimmt das künstlich erzeugte Signal den physiologischen Weg über die zentrale Hörbahn zur Hörrinde. Zur Implantation stehen mehrere Modelle zur Verfügung, die sich technisch unterscheiden. Bevor eine Cochlear-Implantation erfolgen kann, sind zahlreiche hals-nasen-ohrenärztliche Voruntersuchungen erforderlich. Es muß ausgeschlossen sein, daß durch eine Hörgeräteversorgung ein verwertbares Resthörvermögen ausreichend verstärkt werden könnte. Die Funktionsfähigkeit des Hörnerven ist unabdingbare Voraussetzung. Diese kann durch eine Reizung des Hörnerven über eine durch das Trommelfell geschobene Nadel getestet werden (Promontorialtest). Hierbei kann sowohl die Reizschwelle ermittelt werden, die benötigt wird, um einen Höreindruck auszulösen, wie auch die Unbehaglichkeitsschwelle und der daraus resultierende Dynamikbereich. Diese Informationen sind später bei der Anpassung des Sprachprozessors des Cochlea Implants von großer Bedeutung. Ebenso müssen die anatomischen Voraussetzungen gegeben sein, damit ein operatives Einbringen der Elektroden in die Schneckenwindung des Innenohres gelingen kann. Diese können mittels einer computertomographischen Untersuchung des Schädelknochens, in dem das Innenohr liegt, sowie durch eine spezielle magnetresonanztomographische Untersuchung der Schneckenwindungen dargestellt und beurteilt werden.

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